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Frauen und ihre Arbeit: Über Wert, Anerkennung und Zukunftsperspektiven

12.03.20 –

Gedanken zum Internationalen Frauentag 2020

Seit über 100 Jahren gibt es den Internationalen Frauentag.

Damals kämpften Frauen für ihr Wahlrecht, sie kämpften u. a. dafür, selber entscheiden zu können, ob und wo sie arbeiten. Sie haben viel gewonnen. Frauen sind heute selbstbewusst, stehen ihre Frau in Beruf und Gesellschaft, haben eine Familie – also warum noch den Internationalen Frauentag begehen. Ist das vielleicht so ein ganz alter Zopf?

Der Blick auf das Programmheft der Volkshochschule Höxter-Marienmünster (VHS) hat mir direkt vor Augen geführt, dass wir Frauen noch lange nicht gleichberechtigt sind.

Das Titelblatt schmücken vier Männer mit der Überschrift „Kluge Köpfe in der VHS“. Ohne Zweifel handelt es sich bei den Abgebildeten um kluge Köpfe, aber – wo sind die Frauen? Gibt es da keine klugen Köpfe?

Bei dem Blick in das umfangreiche, interessante Programmheft für die BürgerInnen von Höxter fällt auf, dass die meisten Bilder im Programmheft Frauen abbilden, beim Sport, als Dozentin, als Teilnehmerin. Könnte es sein, dass Frauen auch die HauptakteurInnen in der VHS sind?

Zurück zum Titelblatt: warum findet sich nicht Golineh Atai, die mehrfach ausgezeichnete ARD-Journalistin, auf dem Titelblatt? Sie las kürzlich in der VHS aus ihrem neuen Buch. Den Machern der Titelseite möchte ich keine bewusste Diskriminierung vorwerfen, sie „haben sicher nichts gegen Frauen“. Die Bildauswahl weist augenfällig auf eine gedankenlose Normalität hin.

Wegen dieser subtilen Gedankenlosigkeit bei vielen Männern wie bei Frauen ist der Frauentag immer noch wichtig. Viele Frauen als „größte Minderheit der Welt“, nehmen Umstände und Sichtweisen als gegeben hin – „ist doch normal!“

Deshalb war es klug von den Gründungsmüttern und -vätern der GRÜNEN vor 40 Jahren, dass sie das Frauenstatut eingeführt haben. Es bildet sozusagen die GRÜNE DNA. Das Statut besagt, dass Frauen auf Listenplätzen für Wahlen oder für Funktionsämter nicht nur zu 50% berücksichtigt werden, sondern ihnen grundsätzlich der erste Platz zusteht. Alle ungeraden Positionen müssen von Frauen besetzt werden, die geraden können! von Männern besetzt werden. Die Spitzenpositionen sind immer von einer Frau und einem Mann besetzt.

Dieses Statut hat vielen klugen, bunten und innovativen Frauen eine Chance gegeben, zu Wort zu kommen und auch gestaltenden Einfluss zu nehmen.

Aber insgesamt finden sich nur wenige Frauen an den Schalthebeln von Wirtschaft und Politik in unserer Gesellschaft. Dabei bilden sie das Rückgrat der Gesellschaft, indem sie sich um Kindererziehung und Organisation der Versorgung kümmern – ganz zu schweigen von der unendlich wertvollen ehrenamtlichen Arbeit.

Frauen haben schon immer Kinder erzogen und dann die alten Eltern gepflegt – selbstverständlich! Erziehung und Pflege wird auch beruflich mehrheitlich von Frauen getragen in den sogenannten Care-Berufen. Frauen arbeiten hart und verdienen mäßig, seit Jahrzehnten.

In den Berufen der Sozialen Arbeit, der hausnahen Dienstleistung, der Gesundheit, Pflege und Erziehung finden sich 80% Frauen. Ihre Verantwortung im Beruf ist groß, ihr Mitsprachrecht gering, trotz einer qualifizierten langjährigen Ausbildung. Die Attraktivität der Care-Berufe soll erhöht werden, schallt es landauf, landab. Trotzdem klagen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen zunehmend über fehlende Fachkräfte.

Erst der eingetretene Pflegenotstand lässt die Gesellschaft aufschrecken. Manch ambulanter Pflegedienst kann keine KlientInnen mehr aufnehmen aufgrund fehlender Pflegekräfte. Wer versorgt die alten und kranken Menschen? Diese Frage wird immer drängender.

Trotz lebenslanger verantwortungsvoller Arbeit, weit über acht Stunden am Tag, werden viele Frauen im Alter nahe der Altersarmut stehen. Kindererziehungszeiten und reduzierte Berufstätigkeit aufgrund familiärer Anforderungen sind die Ursache – ganz zu schweigen von den vielen Frauen, die in Minijobs arbeiten. Das ist eine Ungerechtigkeit, die wir als Gesellschaft nicht hinnehmen können.

Frauen aus den Care-Berufen gehen offensichtlich nur sehr zögerlich auf die Straße, um andere Arbeitsbedingungen zu fordern. Das passt nicht zu ihrem Selbstverständnis. Sie wandern vielmehr aus den gelernten Berufen, besonders der Altenpflege ab und arbeiten fachfremd. Die Bezahlung ist dort nicht besser, aber die Arbeitszeiten sind geregelt. Frauen werden nicht aus dem Wochenende zum Dienst gerufen, weil wieder eine Pflegekraft ausgefallen und die Personaldecke einfach zu dünn ist.

Das Beispiel der Care-Berufe macht sehr deutlich, was passieren kann, wenn unsere Gesellschaft die Bedürfnisse von Frauen nicht ausreichend wahrnimmt und berücksichtigt. Der Pflegenotstand ist Herausforderung für die ganze Gesellschaft – einfache und schnelle Lösungen gibt es hier nicht.

Nur eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in Form von einer angemessenen Bezahlung, Anerkennung und Wertschätzung des Berufs, Aufstiegsmöglichkeiten und Mitspracherechten kann dazu führen, dass junge Menschen sich weiterhin in der Pflege und Erziehung ausbilden lassen und auch in ihrem Beruf bleiben. Dafür müssen Frauen wie Männer gemeinsam Initiative entwickeln und an der Umsetzung arbeiten – und das nicht nur am Internationalen Frauentag!

Kristin Launhardt-Petersen
Frauenpolitische Sprecherin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreis Höxter

Kategorie

Kreisverband


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